Nachdem wir der Frage nach der SCHÖNHEIT in der Physik nachgegangen sind, widmen wir uns nun der Frage: Was ist WAHRHEIT? – natürlich ein wahnwitziges Unterfangen, aber wir erheben auch nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Nichtsdestotrotz wollen wir uns in der ersten von drei Folgen dem Wahrheitsbegriff aus Sicht eines Physikers annähern und besprechen unter anderem die Beziehung zwischen Wahrheit und Realität, von deren absoluter Existenz wir als Naturwissenschaftler ausgehen müssen.
Anhand mehrerer Beispiele zeichnen wir den Prozess der historischen Wahrheitsfindung nach, bei der „alte“ Wahrheiten nicht etwa überworfen werden sondern in neuen, allgemeineren Wahrheiten aufgeben. Demgegenüber stehen verschiedene „Schichten“ von Wahrheiten: So lassen sich die komplexen Mechanismen menschlichen Zusammenlebens nicht aus den Gesetzen der Quantenmechanik ableiten; dazwischen bedarf es einer Chemie, einer Biologie und einer Psychologie mit jeweils eigenen Gesetzmäßigkeiten, die jeweils emergent aus den darunterliegenden Schichten hervorgehen.
Wir betrachten Kriterien für eine „gute Theorie“ und Thomas wehrt sich gegen das Dogma der Falsifizierbarkeit: Als Wissenschaftler brauchen wir die Freiheit des Denkens und damit auch die Freiheit rumzuspinnen. Dabei wird klar, dass der Prozess der Wahrheitsfindung in der Wissenschaft nicht linear verläuft; es gibt Sackgassen und Irrwege und manchmal dauert es mehrere Hundert Jahre, bis man von einer fixen Idee zu einer brauchbaren Theorie gelangt. Das ist gerade im aktuellen Diskurs um die Rolle von Wissenschaft in Gesellschaft enorm wichtig.
Im ersten Teil sprachen wir über Schönheit, Symmetrie und Harmonie. Aber die Welt ist nicht nur schön und harmonisch. Interessant wird sie meist durch hässliche Asymmetrien.
So ließ Johannes Kepler zum Glück die Natur sprechen und ersetzte seine Harmonien der Welt, die perfekten Sphären, durch Ellipsen, auf denen sich die Planeten um die Sonne bewegen. Dahinter steckt Newtons Kraftgesetz. Es ist perfekt rotationssymmetrisch, aber alle seine Lösungen brechen diese Symmetrie.
Es sind gerade diese Schönheitsfehler, die unsere Welt ausmachen: So ist die winzige Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie, die kurz nach dem Urknall entstand, für die Materie verantwortlich, aus der die Galaxien, Sterne, Planeten und wir heute Menschen bestehen.
Symmetriebrechung gibt es auch zwischen Elektrizität und Magnetismus und beim Higgsfeld, das unser Universum erfüllt und die Massen der Teilchen erzeugt.
Wir sprechen auch darüber, wie die Wissenschaft zuweilen Hässliches und Unverstandenes verdrängt und unter den Teppich kehrt.
Kosmos heißt Schönheit, Harmonie und Ordnung.
Die Suche nach der Schönheit in der Natur war für Wissenschaftler oft eine entscheidende Triebfeder und ein Erfolgsrezept bei der Suche nach der Wahrheit.
Schönheit und Symmetrie schaffen nicht nur Ordnung und Harmonie in unserer Welt. Symmetrien bestimmen auch die Gesetze der Physik, die unsere Welt regieren.
Zu schön, um nicht wahr zu sein –
dürfen wir so an eine schöne Idee in der Wissenschaft herangehen?
Bei aller Freude über die Schönheit von Symmetrien in der Natur – oft sind winzige Schönheitsfehler das Salz in der Suppe. Wie die winzige Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie im Universum, von der unsere gesamte materielle Existenz abhängt. Auf reizvolle Weise ergänzen also Schönheit und Hässlichkeit einander in unserer Welt.