In der letzten Folge unserer Trilogie zur Frage: Was ist Wahrheit? sprechen wir über komplexe dynamische Systeme. Wetter, Klima, Ausbreitung von Infektionskrankheiten wie Corona oder die Funktion des Gehirns sind mit den Methoden der klassischen deterministischen Physik nicht beschreibbar.
Wir sprechen darüber, wie beim Wechsel von der exakten Beschreibung elementarer mikroskopischer Vorgänge zur kollektiven Beschreibung komplexer makroskopischer Systeme neue Phänomene entstehen wie Strukturbildung und Evolution. Dieser Vorgang heißt Emergenz.
Neben Experiment und Theorie tritt ein dritter Weg der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung auf den Plan: Modelle und Simulationen. Wetter, Klima oder die Ausbreitung von Corona müssen anhand von Daten mit beschränkter Güte und Menge und unsicheren Modellen simuliert werden.
Sokrates sagte: Ich weiß, dass ich nicht(s) weiß.
In diesem Sinne muss die Wissenschaft zuammen mit ihren Aussagen zugleich deren Fehler und Unsicherheiten kommunizieren. Sie muss auch sagen, was wir (noch) nicht wissen.
Hier ist auch der naturwissenschaftliche Unterricht gefragt, der immer wieder zeigen muss, dass jede Wahrheit immer auch mit einer Unsicherheit behaftet ist. Sie ist Teil der wissenschaftlichen Wahrheit.
In der zweiten Folge zur Wahrheit in der Physik gehen wir der Frage nach, woher wir wissen können, wie alt das Universum wirklich ist oder was seine kleinsten Bausteine sind. Wichtig dabei sind Crosschecks, also voneinander unabhängige Messungen und Theorien, die zu denselben Ergebnissen führen.
Dabei ist es verblüffend, in welchem Ausmaß wir unsere Welt mit Hilfe der Mathematik, die sich unserem intuitiven Verständnis entzieht, präzise beschreiben können. Wir beschäftigen uns auch anhand der Schöpfungsgeschichte mit der Frage, ob die physikalischen Gesetze Teil unserer Welt sind oder nur unser erkenntnistheoretischer Zugang zur Realität.
Nachdem wir der Frage nach der SCHÖNHEIT in der Physik nachgegangen sind, widmen wir uns nun der Frage: Was ist WAHRHEIT? Wir nähern uns in der ersten von drei Folgen dem Wahrheitsbegriff aus Sicht eines Physikers annähern und besprechen unter anderem die Beziehung zwischen Wahrheit und Realität, von deren Existenz wir als Naturwissenschaftler ausgehen müssen.
Anhand mehrerer Beispiele zeichnen wir den Prozess der historischen Wahrheitsfindung nach, bei der „alte“ Wahrheiten nicht etwa verworfen werden, sondern in neuen, übergeordneten Wahrheiten aufgehen. Das führt zu verschiedenen Schichten von Wahrheit: So lassen sich die komplexen Mechanismen menschlichen Zusammenlebens nicht aus den Gesetzen der Physik ableiten. Dazwischenliegen Chemie, Biologie und Psychologie mit jeweils eigenen Gesetzmäßigkeiten, die jeweils emergent aus den darunterliegenden Schichten hervorgehen.
Wir betrachten Kriterien für eine „gute Theorie“.
Thomas wehrt sich gegen das Dogma der Falsifizierbarkeit: Als Wissenschaftler brauchen wir die Freiheit des Denkens und damit auch die Freiheit, Hypothesen zu generieren,die im Moment weder beweisbar noch widerlegbar sind.
Dabei wird klar, dass der Prozess der Wahrheitsfindung in der Wissenschaft nicht geradlinig verläuft. Manchmal dauert es hundert Jahre, bis man von einer Hypothese zu einer bestätigten Theorie gelangt. Das ist gerade im aktuellen Diskurs um die Rolle der Wissenschaft in der Gesellschaft wichtig.
Im ersten Teil sprachen wir über Schönheit, Symmetrie und Harmonie. Aber die Welt ist nicht nur schön und harmonisch. Interessant wird sie meist durch hässliche Asymmetrien.
So ließ Johannes Kepler zum Glück die Natur sprechen und ersetzte seine Harmonien der Welt, die perfekten Sphären, durch Ellipsen, auf denen sich die Planeten um die Sonne bewegen. Dahinter steckt Newtons Kraftgesetz. Es ist perfekt rotationssymmetrisch, aber alle seine Lösungen brechen diese Symmetrie.
Es sind gerade diese Schönheitsfehler, die unsere Welt ausmachen: So ist die winzige Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie, die kurz nach dem Urknall entstand, für die Materie verantwortlich, aus der die Galaxien, Sterne, Planeten und wir heute Menschen bestehen.
Symmetriebrechung gibt es auch zwischen Elektrizität und Magnetismus und beim Higgsfeld, das unser Universum erfüllt und die Massen der Teilchen erzeugt.
Wir sprechen auch darüber, wie die Wissenschaft zuweilen Hässliches und Unverstandenes verdrängt und unter den Teppich kehrt.
Kosmos heißt Schönheit, Harmonie und Ordnung.
Die Suche nach der Schönheit in der Natur war für Wissenschaftler oft eine entscheidende Triebfeder und ein Erfolgsrezept bei der Suche nach der Wahrheit.
Schönheit und Symmetrie schaffen nicht nur Ordnung und Harmonie in unserer Welt. Symmetrien bestimmen auch die Gesetze der Physik, die unsere Welt regieren.
Zu schön, um nicht wahr zu sein –
dürfen wir so an eine schöne Idee in der Wissenschaft herangehen?
Bei aller Freude über die Schönheit von Symmetrien in der Natur – oft sind winzige Schönheitsfehler das Salz in der Suppe. Wie die winzige Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie im Universum, von der unsere gesamte materielle Existenz abhängt. Auf reizvolle Weise ergänzen also Schönheit und Hässlichkeit einander in unserer Welt.